Kanadische Ureinwohner skandieren angesichts eines sich abzeichnenden Showdowns mit Premierminister Harper: „Respektiert unsere Existenz oder richtet euch auf Widerstand ein!“

Der Aufstand der Ureinwohner in ganz Kanada, ausgelöst von Attawapiskat Chief Theresa Spences Hungerstreik auf der winzigen Victoriainsel nahe des Parlamentshügels von Ottawa, nun in seiner dritten kalten Woche, ist im Grunde genommen nur der jüngste Versuch der kolonisierten Völker der Welt, sich von den Fesseln des Imperialismus zu befreien. Ein aufregender Moment von großer Bedeutung für uns alle.

Ihr Kriegspfad erinnert einen an die seit der Revolution im Januar 2011 gegen die Westernisierer und alten Seilschaften Mubaraks kämpfenden ägyptischen Muslime oder der Kampf der palästinensischen Ureinwohner gegen den Diebstahl ihres Landes durch Israel. Er ist eine Fortsetzung des Kampfes des iranischen Volkes angesichts unerbittlicher Umsturzbemühungen durch den Westen. Es ist kein Zufall, dass Kairoer unter den Demonstranten vor den kanadischen Botschaften waren oder dass dem indigenen Aktivistenführer Terrance Nelson in Teheran kürzlich Unterstützung angeboten wurde für seine Bemühungen, einen Sitz am OPEC-Tisch zu erhalten für die wahren Eigentümer von Kanadas Öl- und Gasreserven.

Der Kampf dauert seit mehr als zwei Jahrhunderten an. Im 19. Jahrhundert gewann er richtig an Fahrt in Kanada, als aus dem Rinnsal an Kolonisierern eine Flut wurde und immer mehr Land von den Ureinwohnern gestohlen wurde. In Ägypten begann er 1798 mit dem Einmarsch Napoleons und erreichte seinen Höhepunkt 1875, als der britische Premierminister Benjamin Disraeli den Suezkanal „kaufte“- dieser wurde von Schuldknechten gebaut, wobei Zigtausende Ägypter ihr Leben verloren. Im Iran begann er ebenfalls im 19. Jahrhundert, als Russland Nordiran (das heutige Aserbeidschan) einnahm, und kam richtig in Gang, als Reuter und andere westliche Geschäftsmänner den Schah bestochen, um lukrative wirtschaftliche Konzessionen zu erhalten. Palästina steht im Zentrum des anti-imperialistischen Kampfes, seit die westlichen Mächte einen jüdischen Staat im Herzen der muslimischen Welt illegal errichteten.
Kanadas Ureinwohner kämpften um ihr Land, doch sie wurden von den gerissenen und landhungrigen Kolonisatoren überwältigt; heute repräsentieren sie nur noch 3 % der kanadischen Bevölkerung und fristen meist ein kurzes, trostloses Dasein in schrecklicher Armut auf den letzten Resten Land, das ihnen von den Siegern zugeteilt wurde.

Doch der Widerstand ist sehr lebendig. Der Schlachtruf „Idle No More“ [Ende der Ruhe] erklingt in ganz Kanada, seit Spence nahe dem Parlamentshügel ihr Zelt aufgeschlagen hat. Seit Disraelis Coup hat sich das ägyptische Volk viermal erhoben und den Kanal schließlich zurückgenommen, und heute formt es eine neue politische Ordnung, die nicht vom westlichen Imperium diktiert wird, sondern vom Koran. Iran hatte seine Revolution schließlich im Jahr 1979 und bietet dem imperialen Monster seither die Stirn und hält den Möchtegern-Herren der Welt den Spiegel der Wahrheit vor.

Die Machenschaften der Imperialisten liefen darauf hinaus, unterschiedliche Methoden anzuwenden, um das Land anderer zu stehlen und deren Wirtschaften in eine Weltordnung einzubinden, die von den Waffen und dem Geld der Imperialisten im Zaum gehalten wurde. In ihrem imperialistischen Arsenal befinden sich vielerlei Waffen, auch Atomwaffen, mit denen das gesamte Leben auf der Erde mehrmals ausgelöscht werden kann; die neueste Waffe ist die bewaffnete Drohne (Lenkflugkörper), die mit bunkerbrechenden Uranbomben bestückt ist (deren „strahlendes Geschenk“ noch für Hunderttausende Jahre nachwirkt).

Der postmoderne Imperialismus, die neueste Mode, hüllt sich in das Deckmäntelchen „Menschenrechte” sowie den Kampf gegen Massenvernichtungswaffen und Terrorismus. Die Invasion in den Irak (und die geplanten Invasionen in Iran und Syrien) unter dem Vorwand der Ausrottung von Massenvernichtungswaffen zeigt, dass dies reine Täuschung ist. Stattdessen sind Hundertausende unschuldiger Menschen von US-Invasionen getötet worden, ohne dass Schuldige ausgemacht wurden, ohne dass Massenvernichtungswaffen gefunden wurden und ohne ein Ende in Sicht.

Israels flagrante Verletzung aller internationaler Gesetze bleibt genauso straflos, ja sie wird von den USA subventioniert und von Kanada enthusiastisch befürwortet.

Der Imperialismus ist gesund und viel zu munter, aber Kanada hat das Glück, nun endlich eine klare Stimme zu haben, die Kanada und der Welt diese finstere Wahrheit lautstark verkündet. Bei Harper läuteten im vergangenen Jahr die Alarmglocken, als der indigene Aktivistenführer Terrance Nelson nach Teheran reiste und sich damit über den unprovozierten Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit dem Iran im November hinwegsetzte. Nelson wurde als ein Verräter an den Pranger gestellt, doch inzwischen sollte für die Kanadier klar sein, wer Kanadas Souveränität und unseren Ruf verschachert.

Attawapiskat Chief Spence wurde von vier indigenen Frauen in Saskatoon inspiriert, die im November ebenfalls einen Hungerstreik begannen, um gegen die Bill C-45 von Harpers Regierung zu protestieren. Diese Gesetzesvorlage betrifft direkt die Rechte der Ureinwohner, darunter:

-Setzt den Indian Act außer Kraft, und beendet damit die Souveränität der Ureinwohner

-Gibt den Band Councils größere kommunale Kompetenzen

-Macht aus dem Reservatsland „fee simple property“ (Land, das nicht nur geleast, sondern auch ge- und verkauft werden kann)

-Ermöglicht die Erhebung und den Einzug von Steuern durch die neuen Indigenen-Regierungen

Die Fronten sind gezogen. Harpers Seite wird nun mobilisiert, um seine Agenda durchzudrücken. Jonathan Kay von der National Post kommentierte das für Attawapiskat gültige Abkommen von 1905 so: „Die ganze Basis für das Abkommen brach weg, als das traditionelle Jäger-Leben der Ureinwohner ein Ende fand. Dies ist der wesentlich Grund dafür, dass die Botschaft von Idle No More im Hinblick auf Abkommen irrelevant ist. Die große Herausforderung für die Ureinwohner-Politik im 21. Jahrhundert wird die Integration von Ureinwohnern in die Wirtschaft in Kanadas städtischen Zentren sein. Man kann die Zeit nicht zurückstellen auf 1905, oder sogar auf 1930.“ Laut den Assimilationsbefürwortern liegt die einzige Antwort darin, die letzten übriggebliebenen Ureinwohner in städtische Ghettos zu treiben, wo sie wie die anderen Armen Kanadas von Sozialhilfe leben können.

Jeffery Simpson von The Globe and Mail hält Ureinwohnern vor, „in einem geistigen Traumschloss zu leben,” das auf „Mythen im Hinblick auf Umweltschutz und die heilige Verbindung der Ureinwohner zum Land“ gebaut ist. Harper habe Recht, ein persönliches Treffen mit dem Häuptling der First Nation abzulehnen, denn ein Premierminister solle nicht dazu „erpresst“ werden, den Wünschen einer Lobbygruppe oder Einzelperson Folge zu leisten.

Doch es ist die „Lobbyistin” Spence, die ein als ihrem Volk ergebener First Nations Chief die Befähigung zu einem kanadischen Führer hat, nicht der durchtriebene, machthungrige Harper, der seinen Weg an die Spitze der Reform/Conservative Party über gebrochene Versprechen und Lügen erklommen hat.

Die von Simpson höhnisch belächelten “vereinzelten Zwischenfälle“ sind spontane Demonstrationen von First Nations im ganzen Land: Blockierung von Bahnstrecken, Flashmobs in Einkaufszentren, sogar die Störung und Blockierung von Brücken-Grenzübergängen mit den USA. Demonstrationen fanden auf der ganzen Welt statt: Palästina, Kairo, London, den USA, Aotearoa (Neuseeland).

Trotz der medialen Geringschätzung gab es sowohl von indigenen und nicht-indigenen Kanadiern überwältigende Sympathiebekundungen. Der Parlamentsabgeordnete Charlie Angus von der New Democratic Party besuchte Spence in ihrem Zelt wie auch Justin Trudeau: „Das heutige Treffen mit Chief Theresa war sehr bewegend. Sie ist bereit, für ihr Volk alles zu opfern. Das wäre nicht nötig.“

Die Führer einiger Bands (indigene Gemeinden in Kanada - d.Ü.) haben schnell versucht, die Proteste zu kooptieren. Shawn Atleo, Vorsitzende der Versammlung der Ersten Nationen, hat zu einer neuen Kampage des zivilen Ungehorsams ab 16. Januar aufgerufen, mit „landesweiten Störungen der Wirtschaft“ und „Vertragsbruch“-Erklärungen. Der Höhepunkt dieser Kampagne soll der vorgeschlagene Gipfel zwischen der Krone und den Ersten Nationen am 24. Januar darstellen, eine Wiederholung des letztjährigen Treffens, als die entsetzlichen Wohnverhältnisse auf dem Attawapiskat-Reservat erstmals Schlagzeilen machten.

Es ist gut möglich, dass Idle No More einen breiter angelegten Kampf gegen Harpers Agenda, seine Aushöhlung der Umweltschutzgesetze und Kanadas abnehmende Achtung der Menschenrechte, auslösen wird. Harpers widerwillige Zustimmung zu einem Treffen mit indigenen Führern am 11. Januar kommt zu spät für ihn. Der Hungerstreik einer weiblichen indigenen Führerin im Herzen der kanadischen Demokratie, ausgerechnet an Weihnachten, macht sich nicht gut für das öffentliche Ansehen einen Führers, dessen Macht auf wackligen Beinen steht. Spence willigte ein, hinzugehen, doch sie weigerte sich, den am 11. Dezember begonnenen Hungerstreik zu beenden, bis sie davon überzeugt ist, dass es nicht bloß ein weiterer PR-Gag ist. Sie bestand darauf, dass Generalgouverneur David Johnston und Ontarios Premier Dalton McGuinty bei dem Treffen zugegen sein sollen.

Endlich rehabilitiert sich Kanada in den Augen der Welt nach sieben demütigenden Jahren des Kotaus vor der US-israelischen Agenda im Ausland und im Inland, und das haben wir den Völkern der Ersten Nationen zu verdanken, ihre Entschlossenheit „hat den Weltschmerz kanalisiert,“ kommentierte Naomi Klein. Idle No More spricht für alle Kanadier gegen das 1 %, das so begierig darauf ist, Kanadas Ressourcen zu verkaufen und seinen internationalen Ruf zu beschmutzen. „Der größte Segen überhaupt ist die Souveränität der Ureinwohner an sich. Wenn Kanadier eine Chance haben, Harpers umweltzerstörende Pläne zu stoppen, dann deswegen, weil diese verbindlichen Rechte – unterstützt durch Massenbewegungen, gerichtliche Klagen und Direktaktionen – ihm im Weg stehen werden.“

Nicht nur stärken Kanadas Ureinwohner alle Kanadier gegen das 1 %, sie helfen uns auch dabei, Kanadas Handlungen in Palästina und Iran zu verstehen, Länder deren Völker Kanada lieben und sich für unsere Ureinwohner einsetzen, denn ihr Kampf gegen die imperiale Ordnung ist auch der Kampf jener. Der Sieg gegen Kanadas Mubarak hilft Ägyptern, sich vom Vermächtnis des Neoliberalismus zu befreien, hilft Palästinensern in ihrem Kampf gegen die jüdischen Kolonisatoren in Israel und Iranern, die in Krankenhäusern sterben wegen eines Mangels an Medikamenten infolge des Embargos, mit dem ihre Unabhängigkeit vernichtet werden soll.

translation Susanne Schuster

http://www.tlaxcala-int.org/article.asp?reference=8992

original http://ericwalberg.com/index.php?option=com_content&view=article&id=463

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Canadian Eric Walberg is known worldwide as a journalist specializing in the Middle East, Central Asia and Russia. A graduate of University of Toronto and Cambridge in economics, he has been writing on East-West relations since the 1980s.

He has lived in both the Soviet Union and Russia, and then Uzbekistan, as a UN adviser, writer, translator and lecturer. Presently a writer for the foremost Cairo newspaper, Al Ahram, he is also a regular contributor to Counterpunch, Dissident Voice, Global Research, Al-Jazeerah and Turkish Weekly, and is a commentator on Voice of the Cape radio.

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