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Boykott durch Deinvestition und und Sanktionen ist ein zweischneidiges Schwert, das den hungernden Menschen in Gaza Entlastung bringt und dem Besatzer Belastungen, entdeckt Eric Walberg

Es war am 27. Dezember vor zwei Jahren, als Israel mit seinem Überfall auf Gaza begann, 22 Tage Mord und Terror verbreitete, 1.400 Menschen tötete und 5.400 Menschen für ihr Leben verkrüppelte. Seither hat es nicht aufgehört, die 1,5 Millionen Menschen in Gaza zu belagern, wodurch es weitere hunderte unnötige Tode verursacht hat. Israels Taten wurden von dem Goldstone-Bericht der UNO als Kriegsverbrechen eingestuft.

Israel bleibt unbestraft und versteckt sich hinter den Kitteln seiner Lobbyisten in den Vereinigten Staaten von Amerika, die unablässig Druck auf jeden einzelnen Kongressabgeordneten, Senator und den Präsidenten ausüben, um jede Verurteilung seiner Verbrechen zu verhindern.

Seine Versuche, die Palästinenser in die Knie zu zwingen, sind allerdings gescheitert. Erfolgreich war Israel mit seinen Taten insofern, als es Millionen rund um die Erde von seiner unmenschlichen rassistischen Agenda überzeugt hat.

Die vergangenen zwei Jahre brachten ein Erwachen der Bürger der Welt für die Not der tapferen Bewohner von Gaza. Es gab mehr als ein Dutzend Konvois und Flotten, darunter freie Schiffe aus Gaza, die fünf Mal die Belagerung durchbrachen, den Gaza-Freiheitsmarsch, die Gaza-Freiheitsflotte – Menschen aller Glaubensrichtungen und Nationalitäten, die Leib und Leben riskierten, um den Menschen in Gaza Hilfe zu bringen.

Die letzte, die „Asia to Gaza Solidarity Caravan” (Solidaritätskarawane Asien nach Gaza), die erste von südlich des Äquators, repräsentiert 18 Länder. Sie erreichte die Türkei in der letzten Woche, nachdem sie in Indien gestartet und durch Pakistan und Iran gezogen war. Sie setzte ihre friedliche „Invasion“ Gazas so an, dass sie mit dem Jahrtag der Schande Israels zusammen fiel.  

Diese Anstrengungen, den notleidenden Menschen Gazas Hilfe zu bringen, sind wichtig, aber keineswegs ausreichend. Man kann sie als positive Taktiken in einem friedlichen Krieg betrachten, den die Palästinenser und alle Menschen guten Willens gegen Apartheid-Israel führen. Dieser Krieg läuft unter der Bezeichnung Boycott Divestment and Sanctions (BDS – Boykott durch Deinvestition und Sanktionen). Er hat das Ziel, Israel politisch und wirtschaftlich zu bestrafen, um die Belagerung zu beenden und einen gerechten Frieden mit den Palästinensern zu schließen. 

Politisch hat BDS mehr und mehr Regierungen dazu gebracht, Palästina anzuerkennen, teilweise sogar einen Apartheidstaat Israel abzulehnen. Bedeutende Schritte sind unter anderem:
Venezuela und Bolivien brechen 2009 nach dem israelischen Überfall auf Gaza die diplomatischen Beziehungen mit Israel ab, Nicaragua nach dem Überfall auf die Freiheitsflotte im Mai 2010.
Bolivien, Brasilien, Argentinien und Uruguay anerkennen 2010 ein „freies und unabhängiges“ Palästina mit den Grenzen von 1967, Paraguay folgt im Frühling.
Norwegen und das Vereinigte Königreich werteten den Repräsentanten der Palästinensischen Behörde zum Konsul auf, das neue Jahr verspricht, dass mehr europäische Länder folgen werden.
Die Stadtregierung von Edinburgh lehnte ein Angebot der französischen Firma Veolia für die Übernahme der öffentlichen Dienste mit Hinweis auf deren Komplizenschaft mit israelischen Verbrechen ab.
Ebenfalls in Schottland beschloss der Gemeinderat der Stadt Stirling eine umfassende Boykottkampagne gegen Israels „offene Aggression und Missachtung des Internationalen Rechts.“
Marrickville in Australien, Partnerstadt Betlehems seit 2007, stimmte vor kurzem für die Unterstützung einer umfassenden BDS-Kampagne.

Israel belagert Gaza. BDS ruft die Welt dazu auf, „die Belagerung zu belagern”, die Export- und Importmärkte Israels auszuhungern und Israel auf diese Weise zu zwingen, einen gerechte Frieden mit seinen Gefangenen zu machen. Auch an der wirtschaftlichen Front gab es 2010 viele Siege. Beispiele dafür sind:
Qatar stellt seine Handelsbeziehungen mit Israel ein.
Geschäfte mit der Türkei, dem Vereinigten Königreich, Ägypten und den Golfstaaten wurden abgebrochen.
Eine türkische Firma, die von israelischen Firmen verlangt, ein Schriftstück, das das israelische Massaker in Gaza verurteilt, zu unterzeichnen, um weiter im Geschäft zu bleiben. Israelische Geschäftsleute in der Türkei müssen neuerdings ihre Identität geheim halten.
Japans MUJI gibt Pläne auf, in Israel zu investieren, angesichts von immensem Druck von Bürgern in Japan und Südkorea.
Die Richtlinien der Europäischen Union verpflichten Supermärkte dazu, die Herkunft von Produkten so zu kennzeichnen, dass die Konsumenten zwischen Produkten aus Palästina, Israel und den Siedlungen unterscheiden können.
Der niederländische Pensionsfonds PFZW hat israelische Firmen aus seinem Portfolio genommen. Bedeutendere schwedische und norwegische Investmentsfonds verkauften ihre Aktien von israelischen Firmen, die am Bau von Siedlungen und der Apartheidsmauer beteiligt sind.
Die Entscheidung des chilenischen Parlaments für einen Boykott israelischer Produkte,die in Siedlungen auf Palästinensergebiet produziert worden sind.
Die Entscheidung von Konzernen wie Multilock, ihre Geschäftstätigkeit in der West Bank einzustellen infolge des Drucks von Menschenrechtsorganisationen.   

Dutzende von BDS-Gruppen in aller Welt, darunter auch in den Vereinigten Staaten von Amerika singen und tanzen und demonstrieren auf andere Weise vor und in Geschäften,die israelische Produkte verkaufen und fordern Geschäftsführung und Kunden auf, beim Boykott mitzumachen.

Die größte Auswirkung auf Israel kam jedoch ironischweise von den belagerten Palästinensern selbst. Die Palästinenserbehörde  (PA) hat verboten, dass in den (illegal auf palästinensischem Gebiet errichteten, d.Ü.) Siedlungen erzeugte Produkte in palästinensischen Geschäften verkauft werden. Der Wert des Marktes West Bank für israelische Geschäfte beträgt etwa $ 200 Millionen jährlich, einige der Fabriken in den Siedlungen verkaufen bis zu 30% ihrer Produkte in den palästinensischen Markt. Siebzehn Fabriken in Mishor Adumim, einem großen Industriegebiet zwischen Ostjerusalem und Jericho, sperrten als direktes Ergebnis des PA-Boykotts zu.

Nachdem 22.000 Palästinenser bei Firmen in den Siedlungen beschäftigt sind, hat die PA einen $ 50 Millionen-Fonds eingerichtet, um Palästinenser von der Arbeit in den Siedlungen abzuhalten und denen zu helfen, die ihre Arbeitsplätze infolge der BDS-Erfolge verlieren.

Während die israelischen Wirtschaftsmedien keine Urteile zu Israels politischen und moralischen Fehlern abgeben, zwingt sie BDS aufzuwachen. The Marker warnte vor dem wachsenden Boykott israelischer HighTech-Firmen durch europäische und amerikanische Firmen, welche finden, dass sie aus moralischen Gründen nicht in Israel investieren können. Nehemia Strassler, Israels führende Wirtschaftsanalystin, griff den israelischen Minister für Industrie, Handel und Arbeit Eli Yishai an, weil dieser das Militär aufgefordert hatte, „hundert Häuser in Gaza für jede Rakete zu zerstören, die in Israel einschlägt.“

„Die Operation in Gaza schadet der Wirtschaft. Die schrecklichen Bilder im Fernsehen und die Aussagen von Politikern in Europa und der Türkei ändern das Verhalten von Kunden, Geschäftsleuten und potentiellen Investoren. Viele europäische Konsumenten boykottieren in der Praxis israelische Produkte. Intellektuelle fordern einen Wirtschaftskrieg gegen uns und einen offiziellen und totalen Konsumboykott.“ 

Die Welt ändert sich vor unseren Augen. Vor fünf Jahren beschränkte sich die antiisraelische Bewegung auf die extreme Linke oder Araber und Moslems. Jetzt findet die Kampagne Eingang in die gesellschaftliche Hauptströmung als eine prinzipientreue Allianz zwischen rot und grün – links und muslimisch.

Der Boykott ist eine besonders effektive Waffe gegen Israel, weil Israel ein kleines Land ist, das auf Exporte und Importe angewiesen ist. BDS war der Schlüssel zum Ende des Apartheidregimes in Südafrika und treibt die Bürger der Welt mit immer mehr Energie dazu an, das Gleiche mit der israelischen Apartheid zu machen.

Und das alles dank Israels Operation Vergossenes Blei, die der Welt vor Augen führte, wie Israel Gaza live im Fernsehen mit Bomben niederhämmerte. Der israelisch-amerikanische Künstler Theodore Bikel, vor kurzem zu BDS bekehrt, weist auf den legendären Pablo Casals hin, der sich weigerte, im faschistischen Spanien zu spielen, indem er sagte: „Mein Cello ist meine Waffe: ich wähle, wo ich spiele, wann ich spiele und vor wem ich spiele.“ Es gibt viele Waffen, die mächtiger sind als das Schwert.

http://www.antikrieg.com/aktuell/2010_12_29_bds.htm