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(German translation of "Gas War: Cold War shivers")

Weitere Tricks und heisse Luft von jenseits des Atlantiks lassen die Europäer in der Kälte 

1/1/9 -- Eine eilig erstellte Lösung für den ukrainisch-russischen Gas-Krieg wurde während des Besuchs der ukrainischen Premierministerin Yulia Timoschenko in Moskau erreicht, die in dieser Woche ihren Kollegen Wladimir Putin traf. Die Ukraine stimmte letztlich zu, ab 2010 höhere europäische Preise für russisches Gas zu bezahlen, nach einem Übergangsjahr 2009 mit einem Preisnachlass von 20%.

Dieses Abkommen kam zustande nach scharfer Kritik europäischer Spitzenpolitiker an die Adresse der Ukraine und nach Putins erstem offiziellem Besuch als Ministerpräsident in Deutschland, wo er ein anspruchsvolleres, langfristig wirksames Konzept für die anhaltenden Probleme mit der Ukraine präsentierte, die europäischen Ländern nicht zum ersten Mal kalte Winter beschert hatten. Er schlägt die Bildung eines Konsortiums der führenden europäischen Energiefirmen mit Russlands Gazprom vor, um sicher zu stellen, dass die russischen Lieferungen ihre Bestimmungsorte erreichen. „Das Vertrauen war gestört“, sagte die deutsche Kanzlerin Merkel nach den Gesprächen, ohne zu sagen, wer daran schuld war. „Wir hoffen, dass diese Idee eines Konsortiums zu einer guten Lösung führt.“    

In den Zeiten der Sowjetunion gab es nie Probleme bezüglich der Verlässlichkeit im Handel mit Moskau, was ist also jetzt das Problem, wo wir alle eine große, glückliche kapitalistische Familie bilden? Ganz einfach, die Ukraine weigert sich, marktkonforme Preise für ihre eigenen Gasimporte aus Russland zu bezahlen und stellte sogar die Zahlungen für ihre diesbezüglichen Schulden ein. Sie zog es vor, für Europa bestimmtes Gas aus den über ihr Territorium führenden Transitpipelines zu stehlen und eine Reserve für den Eigenbedarf aufzubauen, eine befremdliche und kurzsichtige Politik, sehr milde ausgedrückt. Während in der Vergangenheit die Preisschwankungen zwischen den „freien Nationen“ die sowjetischen Planer ziemlich kalt ließen, sind die heutigen russischen Politiker sehr darauf bedacht, ihre Rechnungen bis zur letzten Kopeke bezahlt zu bekommen. Sicher werden sie unverhohlenen Diebstahl und die Nichtbezahlung von Schulden nicht mehr länger in Kauf nehmen.

Aber die Ukraine ist des Westens “Freund” und Möchtegern-Mitglied der NATO, während Russland jetzt des Westens „Feind” ist. Nichtsdestoweniger bleibt Diebstahl Diebstahl und die EU wird langsam sauer auf ihren Freund im Osten. Die Gespräche über ein neues Assoziationsabkommen mit der Ukraine und über Zusammenarbeit auf dem Energiesektor sind auf Eis gelegt. „Es geht um ihre Glaubwürdigkeit in allen Fragen der Beziehung,” sagte ein Vertreter der EU. Der Präsident der EU-Kommission Jose Manuel Barroso warnte mit uncharakteristischer Unverblümtheit: „Wenn die Ukraine näher mit der EU in Verbindung kommen will, sollte sie besser keine Probleme bei der Lieferung von Gas in die EU machen.” 

Auch die ukrainische Goldquelle der Gas-Transitgebühren könnte versiegen. Putin erörterte mit Merkel auch das Thema der Gazprom-Pipeline, die gemeinsam mit den deutschen Energiefirmen Winterschall und Ruhrgas gebaut wird und es Russland ermöglichen wird, Gas unter der Ostsee direkt nach Europa zu liefern. Sie ist Bestandteil der russischen Politik, seine Exportrouten zu diversifizieren. Zur Zeit müssen 80% der Gazprom-Exporte, die ein Viertel des von Europa benötigten Gases ausmachen, die Ukraine passieren. Das beste Gegenmittel gegen Diebstahl ist, den Umgang mit dem Dieb zu vermeiden. 

Vorläufig verlangen die EU und Russland von der Ukraine eine akzeptable Möglichkeit, die Gaslieferungen zu überwachen. Russland hätte am liebsten eine 50%-Beteiligung an der Pipeline, wie an einem ähnlichen Netzwerk von Gasleitungen in Belarus, was den Gasklau beenden würde, aber die Ukraine weigert sich. Daher fand Putins Vorschlag, als Kompromiss ein internationales Konsortium mit russischer Beteiligung einzurichten, schnell die Zustimmung Merkels. Diese hat eine Wahl vor sich und die trotzige antirussische Einstellung der Ukraine - sowie deren Schwindeleien – beeindrucken ihre potentiellen Wähler nicht, so sehr sie auch Washington erfreuen.  

Am härtesten getroffen wurden in den ersten Januartagen Bulgarien, Slowakische Republik, Tschechische Republik, Ungarn, Bosnien, Serbien, Kroatien und Mazedonien in einer besonders kalten Phase des Winters. Die zerstrittene 27-Mitglieder-EU mit ihren letzten Zugängen ist für große Geschäfte mit Russland im gemeinsamen Interesse nicht zu haben. Antirussische Rhetorik bringt in einigen neuen Mitgliedsländern viele Stimmen, so dass es keine Überraschung ist, dass Putin die zahnlose EU links liegen lässt und direkt mit Deutschland verhandelt. 

Die Faktoren, die zu dem Gas-Krieg führten, sind wohl bekannt. Am 2. Oktober vereinbarten die Ministerpräsidenten Russlands und der Ukraine, das Geschäft zwischen ihren beiden Firmen Gazprom und Naftogaz auf die Basis von Marktpreisen zu stellen, wobei der russischen Seite erlaubt sein sollte, Gas direkt an Endverbraucher in der Ukraine zu verkeufen. Ende November stoppte die Ukraine die Bezahlung ihrer Rückstände und machte dadurch ein neues Abkommen für 2009 unmöglich. Russland hatte bis dahin die Ukraine in hohem Ausmaß subventioniert, indem es Gas, das von zentralasiatischen Produzenten um US$ 375,00 pro 1000 m³ angekauft worden war, der Ukraine um US$ 179,50 verkaufte. In der Frage des Übergangs zu Marktpreisen war Russland mehr als großzügig, indem es einen stufenweisen Anstieg auf US$ 250,00 für das Jahr 2009 akzeptierte. Beim Verkauf von Gas an die Ukraine im Jahr 2008 verlor Gazprom durch die Preisdifferenz 12 Milliarden US$ und musste bei der russischen Regierung um eine Finanzhilfe ansuchen. 

Nachdem es keinen Vertrag für 2009 gab, musste Moskau die Gaslieferungen an die Ukraine am 1. Januar einstellen. Die Ukraine rächte sich, indem sie den Transit von russischem Gas nach Europa einstellte und das für den europäischen Markt bestimmte Gas verwendete, um selbst eine Gasreserve zum Nulltarif aufzubauen, die sechs Monat anhalten sollte, auch wenn Russland überhaupt kein Gas mehr lieferte.

Die Ukraine verteidigt sich damit, dass ihre Kassen leer seien, was zweifellos der Fall ist. Ihre Industrieproduktion ging im November stark zurück und für das Bruttosozialprodukt wird ein Rückgang um 10 % für das Jahr 2009 prognostiziert. Das Land hat gerade einen Kredit in der Höhe von US$ 16,4 Milliarden vom Weltwährungsfonds (IMF) bekommen. Der Chefökonom der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung Erik Berglof warnte vor kurzem, dass das nicht reichen könnte: „Die Ukraine geht einer Währungs- und Bankenkrise entgegen, die leicht einen Großteil der Wirtschaftssysteme in Osteuropa zu Fall bringen könnte.“ Der IMF, kein Freund Russlands, argumentiert auch, dass die Ukraine ihr Schuldenproblem leicht dadurch lösen könnte, dass sie teilweise die Pipeline an Gazprom verkauft, eine naheliegende Lösung, der auch Merkel beipflichtet. Sie wie auch der IMF wissen genau, dass Russland ein verlässlicher Partner ist, der sich aber verständlicherweise dagegen wehrt, von einem undankbaren Nachbarn ausgeraubt zu werden.

Das fehlende Glied in dieser nervtötenden und unnötigen „Krise“ bildet das Treffen des ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko Mitte Dezember mit Vertretern der Vereinigten Staaten von Amerika, bei dem er ein Abkommen über strategische Zusammenarbeit unterzeichnete, das auch einen Passus über die Zusammenarbeit im Energiebereich enthält. Die Weigerung der Ukraine, ihre Schulden zu bezahlen bzw. die gemeinsame Kontrolle der Pipeline mit Russland zu verhandeln waren zweifelsohne Teil dieses Abkommens, was auch Russland nicht entgangen ist. Präsident Medvedev gab offen den Vereinigten Staaten von Amerika die Schuld an der Einstellung der Gaslieferungen und sagte, die Aktionen der Ukraine seien direkt von Washington gesteuert. Der Chefredakteur von Russia in Global Politics Fedor Lukyanov sagte, „die Ukraine hat durch ihre Weigerung, auf dem Verhandlungsweg eine Einigung herbeizuführen, absichtlich eine Krise herbeigeführt mit dem Ziel, durch Unterbrechungen der Gaslieferungen nach Europa Gazproms Image als verlässlicher Vertragspartner im Energiebereich zu schädigen. Alles, was sich nach dem 31. Dezember getan hat, sieht nach Verzögerungstaktik aus. Wir verlieren nicht nur in einem Propagandakrieg, sondern in einem echten Krieg um Gas. Es ist kein Zufall, dass gerade Länder wie Griechenland, Ungarn und Bulgarien, für uns wichtige Partner in Europa, die größten Schwierigkeiten haben.“

Juschtschenko hat seit seiner zwielichtigen “Orangen Revolution”, die durch von der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika bezahlte “Nichtregierungsorganisationen” finanziert worden war, hemmungslos die antirussische Karte ausgespielt, darunter auch Anschuldigungen, er sei von KGB (Pardon, FSB) – Agenten vergiftet worden. Seither steht er einer Wildwest-"Demokratie" vor, hat wenig vorzuweisen außer einem gescheiterten Versuch, das gespaltene Land in die NATO hineinzustoßen und die desaströse Unterstützung für Georgiens Minikrieg im vergangenen Sommer, für den er ein paar rostige Panzer zur Verfügung stellte, ein Skandal, der noch immer schwelt. Laut einer vor kurzem durchgeführten Umfrage der schwedischen Agentur für internationale Zusammenarbeit sind 84% der Ukrainer der Meinung, die Dinge in ihrem Land entwickelten sich gravierend falsch, 49% bezeichneten die Situation als „kritisch und explosiv“. Analysten schließen nicht aus, dass sich die Ukraine in Richtung autoritäres System entwickelt. 

Wie der Krieg in Südossetien im vergangenen Sommer trägt auch die letzte “Krise” groß die Aufschrift “Made in USA”. Wie die von den Vereinigten Staaten von Amerika bewilligte Invasion Südossetiens durch Georgien, eine von Cheney und seiner Clique aufgestellte Falle, in der die Russen wie die neue Administration in Washington gefangen werden sollten. In letzter Minute wurde am 9. Januar ein Sicherheitspakt geschlossen, der mit großer Wahrscheinlichkeit eine anhaltende Militärpräsenz der Vereinigten Staaten von Amerika im Kaukasus zur Folge haben wird. Bis jetzt war der Kreml vorsichtig optimistisch gegenüber einem neuen Start der Beziehungen zwischen Russland und den Vereinigten Staaten von Amerika unter dem neuen Präsidenten Barack Obama eingestellt, aber der hat seine eigenen russophoben Berater, Robert Gates und Zbigniew Brzezinski - die Zeichen für einen Neubeginn stehen also nicht günstig. 

Gerade wie die Vereinigten Staaten von Amerika den Krieg in Georgien benutzten, um Russland als expansionistisch hinzustellen und den Europäern das unpopuläre Raketenprojekt hineinzudrücken, scheinen sie ihre Finger auch in diesem Konflikt um Energiezufuhr zu haben, einem weiteren Element in ihrem neuesten Kalten Krieg, der mit größter Wahrscheinlichkeit weiter gehen wird, ungeachtet des kosmetischen Machtwechsels in Washington in dieser Woche. Auch die US-Medien waren beteiligt. So mahnte etwa die Washington Post die Europäer, „die wirkliche Botschaft dieser kalten Woche zu begreifen“, da „Herrn Putins Regime ganz offen danach strebt, Europas Abhängigkeit von russischer Energie für seine imperialistischen und antiwestlichen geopolitischen Ziele auszunutzen.“